Sport-Trainerin trotz (oder dank) Unfall

Nicole Turtschi überreicht mir mein Trainer-Zertifikat von Xung macht Yung
Nicole Turtschi überreicht mir mein Trainer-Zertifikat von Xung macht Yung

Es war ein prächtiger Wintertag im Februar 2020 und ich beschloss spontan mit meiner knapp vierjährigen Tochter Skifahren zu gehen. Nach ein paar Abfahrten im Kinderland, wagten wir uns an den Bügellift. Alles ging gut. Auch die erste Abfahrt tipptopp. In den steileren Passagen nahm ich meine Kleine zwischen die Beine. Geschafft. «Lass uns das gleich nochmals machen und danach machen wir Schluss für heute!». Gesagt – getan. Dieses Mal schafften wir es nicht bis ganz nach oben mit dem Bügellift. Auf halber Strecke flogen wir aus dem Lift. Nichts passiert. Wir rappelten uns auf und kämpften uns durch den Tiefschnee auf die Piste. «Phu, geschafft». Jetzt wieder Skier anschnallen und los. Meine Tochter hatte es eilig und fuhr davon – geradewegs auf den Steilhang zu. «Warte!». «Ich kann das alleine!» kam es zurück. «Nein, warte – das ist zu steil!». Ich hinterher und hole die Pisten-Rowdy gerade noch rechtzeitig ein. Ich nehme meine Kleine wieder zwischen die Beine und erkläre ihr, dass wir ein kurzes Stück gemeinsam fahren und sie dann weiter unten wieder alleine darf. «Nein, ich kann das!» und will sich aus meinem Griff befreien… ich beuge mich weiter nach vorne, damit sie mir nicht entkommt – und «Plop». «AUUUAAAA!» schreie ich als erste Reaktion. Das bringt meine Tochter dazu innezuhalten. Was war das für ein Geräusch? «Etwas ist gar nicht gut.» «Was ist?». Ich setze mich in den Schnee und atme tief ein und aus. Dann versuche ich zu analysieren. Schmerzen? Nein. Aber ich habe doch eben geschrien und das «Plop» in meinem Ohr spürte ich doch auch in meinen Knies? «Etwas ist gar nicht gut». Meiner Kleinen schiessen die Tränen in die Augen. «Mami, ich habe Angst». Ich versuche aufzustehen. Fühlt sich irgendwie wacklig an, aber es geht. «Du brauchst keine Angst zu haben.» Ich schaffe es meine und die Skis meiner Tochter auszuziehen. «Wir laufen jetzt den Berg runter – ich kann jetzt nicht mehr Skifahren.» Ich buckle beide Paar Skis und weise meine Kleine an mir zu folgen. Ich gehe langsam und wähle jeden Schritt bedacht inständig hoffend, dass ich weiterhin Frau der Situation bleibe und wir es bis runter zur Strasse schaffen. Geschafft. Zum Parkplatz ist es aber noch ein Stück. «Maira, ich schaffe es nicht mit dem ganzen Gepäck bis zum Auto. Bitte warte hier und pass auf die Skies auf; ich komme Dich gleich abholen.» Meine Tochter begreift und ich weiss instinktiv, dass auch sie die Situation meistern wird und zum ersten Mal in ihrem Leben zehn Minuten unbeaufsichtigt sein kann. Es klappte alles wie geplant und wir sassen wenig später im Auto und fuhren nach Hause.

 

Schmerzen hatte ich nach wie vor keine. Auch zeigten sich keine blauen Flecken oder Schwellungen. Das wackelige Gefühl aber hielt auch Tage später an. Es fühlte sich an, als ob mein Körper bei den Knies durchschnitten wäre – als ginge ich auf Stelzen. Und immer wieder hörte ich das «Plop» in meinem Ohr. Daher meldete ich mich bei meiner Hausärztin und es folgten Untersuchungen mit CT (Computertomographie). Diagnose: Kreuzbandriss in beiden Knies inkl. Knochenfrakturen und leichte Risse im einen Meniskus. Ich machte ein langes Gesicht und mein Facharzt (Orthopädischer Chirurg) wie ich betrachteten abwechselnd etwas ungläubig meine Knies und die CT-Bilder. Was nun? Wars das mit Skifahren? Wars das mit meiner «unbeschwerten» Sportlichkeit? Ich bin doch ein Bewegungsmensch und will auch mit meiner Tochter noch ganz viele Aktivitäten ausprobieren… «An ihrer Stelle würde ich nicht operieren. Die Knies sind erstaunlich stabil. Eine OP ist immer auch ein Eingriff in ein System. Mit gezieltem Muskelaufbau und Physio sollte das wieder recht gut kommen.» Ich war erleichtert darüber nicht unters Messer zu müssen (und begrub in Gedanken den ganzen Rattenschwanz an Organisation, der das mit sich gebracht hätte…) und schöpfte Mut. Gleichzeitig blieb ich mit meinem «durchschnittenen» Gefühl zurück. Hinzu gesellten sich Schuldgefühle – gegenüber mir, weil ich nochmals eine Abfahrt machen wollte und um ehrlich zu sein auch meiner Tochter gegenüber. Weshalb konnte sie nicht einfach warten?! Dann wäre das alles nicht passiert…. Und immer wieder dieses «Plop».

 

Damals hätte ich es nicht im Traum für möglich gehalten, dass ich nur 14 Monate später ein Zertifikat als Trainerin für funktionelle Outdoor-Gruppentrainings in den Händen halten werde und wöchentlich eine Sport-Gruppe leite.

 

Und heute kann ich sogar sagen, dass ich dankbar bin für den Unfall. Dankbar für die weise ärztliche Begleitung ohne chirurgischen Eingriff, die sich in meinem Fall bis jetzt als goldrichtig erweist. Dankbar für mein Wissen, dass es auch die emotionalen Folgen zu heilen gilt. Dankbar für den Weg, den ich durch den Unfall gehen durfte mit all den neuen Möglichkeiten und Erkenntnissen, die dadurch in mein Leben gekommen sind. Dankbar für den Skitag mit meiner wunderbaren Tochter und das gemeinsame lebensverändernde Erlebnis. Mein Heilungsprozess war eine Kombination aus Physio-Therapie, Kinesiologie, Pilates, Yin Yoga sowie funktionellem Sport-Training.

 

Es ist unglaublich, was alles in uns steckt. Glaub an Dich und mach mehr aus Dir!

 

Hast Du auch ein einschneidendes Erlebnis zu verarbeiten? Kommst Du mit den körperlichen und emotionalen Folgen zurecht oder benötigst Du Unterstützung?

 

Herzlich,

Sandra

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Kommentare: 1
  • #1

    Tom Steiner (Montag, 26 Februar 2024 14:51)

    Ich ziehe meinen Hut! Das Schicksal angenommen und daran gewachsen!
    Gibt das Leben einem ����...